Die letzten drei Jahre standen im Pazifischen Raum im Zeichen von La Niña, der kalten Schwester von El Niño. Beide zusammen sind Teil der ENSO, der El Niño Southern Oscillation. Sie schwankt in mehrjährigen Zyklen zwischen diesen beiden Extremzuständen hin und her. Nun beginnt das Pendel von kalt wieder in Richtung warm zu schwingen.
Die Zeichen stehen auf El Niño
Vor einem Monat gab es bereits erste Zeichen für eine Erwärmung des Ostpazifiks vor Peru und Ecuador, diese Entwicklung hat sich inzwischen weiter fortgesetzt und beschleunigt. Die Temperaturabweichung des Oberflächenwassers liegt hier nur schon bei 4 bis 5 Grad. In der Mitte des äquatorialen Pazifiks zeigen sich sich noch die letzten Reste kalten Wassers der vergangenen drei La Niña Jahre.

Abb. 1: Abweichung der Meeresoberflächentemperatur von der Norm im Pazifik; Quelle: NOAA
Nach den aktuellen Berechnungen stehen die Zeichen nun klar auf El Niño. Die Warmwasseranomalie wird sich in den kommenden Monaten weiter westwärts in den zentralen Pazifik ausbreiten, für Ende des Jahres sieht es nach einem starken El Niño Ereignis aus.
Rekord bei der globalen Meeresoberflächentemperatur
Aber nicht nur im pazifischen Raum ist die Entwicklung der Meeresoberflächentemperatur interessant, sondern auch auf globaler Ebene. Aktuell liegen wir hier im Vergleich der Jahre ab 1981 auf absolutem Rekordniveau, in weiten Gebieten ist das Meerwasser in der obersten Schicht deutlich zu warm. Der bisherige Spitzenreiter in dieser Hinsicht war das Jahr 2016, damals gab es Anfang des Jahres aber auch noch einen starken El Niño. Das ist nun aber noch nicht der Fall, und trotzdem übertrifft die aktuelle Meeresoberflächentemperatur (SST, Sea Surface Temperature) zwischen 60° Süd und 60° Nord schon seit mehreren Tage jene aus dem Jahr 2016! Es ist zu erwarten, dass sich dieser Vorsprung im Zuge des an Fahrt aufnehmenden El Niño weiter vergrössert. Höhere Wassertemperaturen bedeuten auch eine stärkere Verdunstung und mehr Wasserdampf in der Atmosphäre.

Abb. 2: Verlauf der mittleren globalen Meeresoberflächentemperatur für die Jahre1981-2023; Quelle: NOAA, University of Maine

Abb. 3: Aktuelle globale Abweichung der Meeresoberflächentemperatur von der Norm; Quelle: NOAA
Spuren von Rekord-Zyklon Freddy
Zyklon Freddy hat seine Spuren in der Wetterstatistik hinterlassen und etliche Rekorde gebrochen. Neben den Verwüstungen an Land und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe zeigen sich seine Spuren aber auch noch im Form einer Anomalie der Meeresoberflächentemperatur. Zwischen Madagaskar und Südostafrika ist das Wasser zur Zeit kälter als üblich. Dies liegt an Freddy, der sich hier über viele Tage hinweg aufhielt und durch die hohen Windgeschwindigkeiten das Wasser durchmischt hat. Kühleres Wasser aus tieferen Schichten konnte die Oberfläche erreichen.

Abb. 4: Abweichung der Meeresoberflächentemperatur von der Norm im Indischen Ozean; Quelle: NOAA
La Niña geht, El Niño kommt
Bei La Niña ist die Wassertemperatur an der Oberfläche des äquatorialen Pazifiks unterdurchschnittlich, das warme Wasser wird in den Westpazifik verdrängt. ENSO hat zahlreiche Auswirkungen auf Wetterphänomene rund um den Globus (Telekonnektion), so fällt beispielsweise die atlantische Hurrikansaison in La Niña Jahren oft aktiver als normal aus. Ausserdem wirkt die sehr grosse kühle Wasseroberfläche dämpfend auf die globale Mitteltemperatur, dieser Kühleffekt liegt in der Grössenordnung von -0,1 Grad. Das klingt nicht viel, ist aber tatsächlich von entscheidender Bedeutung.

Abb. 1: Wöchenentliche Anomalie der oberflächigen Wassertemperatur im Pazifik. Zuletzt beginnende Erwärmung im Ostpazifik.; Quelle: NOAA
2023 begann noch mit La Niña, auch aktuell ist der äquatoriale Pazifik an der Oberfläche kälter als der langjährige Durchschnitt. Schon seit längerem deuteten erste Computermodelle einen Wechsel an, inzwischen ist der Trend klar. Praktisch alle relevanten Modelle berechnen in den nächsten Wochen ein Ende von La Niña und nach einer neutralen Phase während des späteren Frühlings sowie des Sommers einen Übergang zu El Niño. Tatsächlich zeigen sich nun auch bei den Beobachtungsdaten deutliche Anzeichen der Veränderung im Ostpazifik, in den letzten zwei Wochen kam es vor der Küste von Peru und Ecuador zu einer Erwärmung des Oberflächenwassers – die Abweichung gegenüber der Norm ist hier inzwischen schon positiv.

Abb. 2: Aktuelle ENSO-Vorhersagen der verschiedenen Computermodelle für die kommenden Monate ; Quelle: IRI
Es ist also zu erwarten, dass sich im Laufe des März immer grössere Teile des äquatorialen Pazifiks erwärmen und diese ungewöhnlich lange La Niña Phase endet. Im Laufe des Spätsommers und des Herbstes pendelt ENSO auf die warme Seite, El Niño stellt sich ein. Dies geschieht aus aktueller Sicht zeitnah mit dem Höhepunkt der atlantischen Hurrikansaison. Wie stark die Auswirkungen hierauf sind, lässt sich aber noch nicht sagen. In jedem Fall fällt der global kühlende Effekt nun weg und verkehrt sich in das Gegenteil. El Niño Jahre sind im Mittel auf globaler Ebene überdurchschnittlich warm. Die Modelle sehen auf Ende Jahr und für 2024 einen mässigen bis starken El Niño, die Auswirkungen werden sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch auf globaler Ebene zeigen. Nach einer gemeinsamen Analyse des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Justus-Liebig-Universität Giessen sowie zweier Chinesischer Universitäten gehen die Wissenschaftler speziell für 2024 von einem deutlichen Anstieg der globalen Mitteltemperatur aus. In der Folge ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass 2024 das bis dahin wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn werden könnte. Nach dieser Untersuchung könnte die globale Mitteltemperatur sogar erstmals 1,5 Grad über dem vorindustriellen Mittelwert liegen. Spannend zu sehen, ob sich diese Vorhersage bewahrheitet. Aber auch beunruhigend. So oder so, wir erleben es erste Reihe fussfrei!