Heute Dienstag stellt sich im Laufe des Tages eine sogenannte Gegenstromlage ein. Diese bringt vor allem in der Nacht und morgen Vormittag mit Schwerpunkt entlang der Alpen viel Niederschlag. Dabei kann es bei kräftigen Niederschlägen durch den Effekt der Niederschlagsabkühlung im Laufe der Nacht auf morgen Mittwoch weiter hinunter schneien, als potentiell die Luftmasse hergibt. So kann es entlang der Voralpen durchaus auch eine weisse Überraschung bis in tiefe Lagen geben. Im Mittelland fällt gleichzeitig bei geringerer Niederschlagsintensität unterhalb von rund 600 bis 800 Metern Regen, hier gibt es in den tiefsten Lagen keinen Schnee.
Vor allem in der Zentralschweiz Schnee bis ganz runter!
Die Niederschlagsabkühlung hat in der vergangenen Nacht tatsächlich entlang der Alpen und in einigen Alpentälern eingesetzt, wodurch die Schneefallgrenze teilweise in die Täler und ins Flachland gesunken ist. Besonders starke Niederschläge gab es in der Zentralschweiz, hier fiel mit Ausnahme des Urnerlands, wo es aufgrund etwas geringerer Intensität nicht für eine Niederschlagsabkühlung reichte, verbreitet etwas Nassschnee bis in die Täler und ins Flachland (vgl. Abb. 1 und 2).
Abb. 1: Schnee heute morgen in Luzern (440 m); Quelle: roundshot
Abb. 2: Schnee heute Morgen in Schenkon (580 m); Quelle: roundshot
Aber auch im Berner Oberland, im Glarnerland und im Zürcher Oberland gab es teilweise eine dünne nasse Neuschneedecke bis in die tiefsten Lagen (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Ein Hauch Schnee heute morgen in Wetzikon (550 m); Quelle: roundshot
Entgegen der meisten Wettermodelle in erster Linie infolge ungenügender Niederschlagsintensität nicht für Schnee in den tiefsten Lagen reichte es dagegen am Walensee, im Seeztal und im Rheintal.
Betrachtet man die Niederschlagskarte der letzten 24 Stunden, so zeigt sich ein klarer Hotspot in der Zentralschweiz und im Berner Oberland sowie im Glarnerland (vgl. Abb. 4). Es sind dies auch just jene Regionen, in denen die Schneefallgrenze durch die Niederschlagsintensität etwas heruntergedrückt wurde.
Abb. 4: Niederschlagssumme in den letzten 24 Stunden; Quelle: MeteoNews, UBIMET
In absoluten Zahlen gab es in den letzten 24 Stunden mit 81 mm auf dem Pilatus mit Abstand am meisten Niederschlag. Dazu kommen noch zwei Stationen mit über 40 mm und einige mit über 30 mm, wobei sich diese zumeist in den Voralpen befinden (siehe nachfolgende Tabelle).
Niederschlagsmenge (Stand 08:35)
Messstationen | Niederschlagsmenge (in mm) |
---|---|
Pilatus (2106 m ü.M., LU) | 81 |
Stöckalp (1070 m ü.M., OW) | 46 |
Entlebuch (768 m ü.M., LU) | 42 |
Grimsel (1980 m ü.M., BE) | 39 |
Luzern (456 m ü.M., LU) | 39 |
Coldrerio (347 m ü.M., TI) | 35 |
La Valsainte (1044 m ü.M., FR) | 33 |
Engelberg (1035 m ü.M., OW) | 33 |
Guttannen (1055 m ü.M., BE) | 33 |
Elm (958 m ü.M., GL) | 32 |
Adelboden (1353 m ü.M., BE) | 31 |
Innerthal (903 m ü.M., SZ) | 30 |
Kiental (930 m ü.M., BE) | 30 |
Gersau (435 m ü.M., SZ) | 29 |
Napf (1406 m ü.M., BE) | 29 |
Brienz (566 m ü.M., BE) | 29 |
Flühli (884 m ü.M., LU) | 28 |
Langnau im Emmental (745 m ü.M., BE) | 27 |
Meiringen (589 m ü.M., BE) | 27 |
Bristen (784 m ü.M., UR) | 27 |
Besonders in den Voralpen viel Neuschnee
In der Zentralschweiz sowie im Berner Oberland gab es oberhalb von rund 1000 Metern örtlich über einen halben Meter Neuschnee bei einer Lawinengefahr, die wie fast überall in den Alpen auf Stufe 3 (erheblich) ist. So wurden in den letzten 24 Stunden in Guttannen 50 Zentimeter, in Adelboden 49 Zentimeter und in Gadmen 47 Zentimeter Neuschnee gemessen. Grössere Neuschneemengen bis lokal einem halben Meter fielen zudem auch im Glarnerland und im südlichen Malojagebiet (vgl. Abb. 5, aktuelle Messwerte siehe hier).
Abb. 5: Neuschneesumme in den letzten 24 Stunden; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Entsprechend dem vielen Neuschnee zeigen die Webcams aktuell in den Bergen vor allem in den Voralpen auch in mittleren Lagen, wo der Schnee schon längere Zeit weg war, wunderbare tiefwinterliche Bilder (vgl. Abb. 6 und 7).
Abb. 6: Schnee heute Morgen in Wengen im Berner Oberland (1250 m); Quelle: roundshot
Abb. 7: Schnee heute Morgen auf der Wolzenalp (1100 m); Quelle: roundshot
Weitere heutige Entwicklung
Am Vormittag fällt vor allem entlang der Alpen und im Osten weiterer Niederschlag mit teilweise Flocken bis in tiefe Lagen, im östlichen Flachland liegt die Schneefallgrenze auf rund 600 bis 700 Metern. Am Nachmittag gibt es mit etwas abnehmender Intensität besonders in der Zentral- und Ostschweiz noch Niederschlag mit Schnee zumeist ab 600 bis 800 Metern, in der Nacht auf morgen Donnerstag trocknet es dann auch hier langsam ab.
Wie lange Schneedecke?
In tiefen Lagen schmilzt die weisse Pracht schnell wieder weg, bereits morgen ist es mit dem Schnee überall wieder vorbei. Mit den danach bis auf Weiteres eher milden Temperaturen bei von Freitag bis Sonntag in den Alpentälern teils Föhn geht es auch dem Schnee in mittleren Lagen bis deutlich über 1000 Meter wieder relativ schnell an den Kragen. Es bewahrheitet sich so der Spruch "Märzenschnee tuät nümä weh".
Nachfolgend soll am Beispiel von heute und morgen die sogenannte Gegenstromlage besprochen werden, eine sehr spannende und insbesondere bezüglich Schneefallgrenze schwierig einzuschätzende Wetterlage.
Gegenstromlage?
Heute Dienstag zieht ein Höhentief knapp westlich unseres Landes von Nord nach Süd, wodurch in grosser Höhe südliche Winde herrschen. Gleichzeitig entwickelt sich im Tagesverlauf ein Italientief, sodass sich in tiefen Lagen über den Alpen eine nördliche Strömung einstellt. Abb. 1 zeigt das Druckbild in der Nacht auf morgen Mittwoch in einer Höhe von rund 5500 Metern mit dem Höhentief über Frankreich, Abb. 2 die entsprechenden Windverhältnisse in dieser Höhenlage und Abb. 3 die Windverhältnisse auf rund 1500 Metern.
Abb. 1: Druckbild und Temperaturen auf 500 hPa, d.h. auf rund 5500 Metern in der Nacht auf morgen Mittwoch nach dem europäischen Wettermodell ECMWF; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Abb. 2: Windverhältnisse auf 500 hPa, d.h. auf rund 5500 Metern in der Nacht auf morgen Mittwoch nach dem europäischen Wettermodell ECMWF; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Abb. 3: Windverhältnisse auf 850 hPa, d.h. auf rund 1500 Metern in der Nacht auf morgen Mittwoch nach dem europäischen Wettermodell ECMWF; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Es ist zu erkennen, dass die Winde in der Höhe und in Bodennähe aus praktisch entgegengesetzten Richtungen wehen, man spricht von einer sogenannten Gegenstromlage. Das zeigt sich auch, wenn man die Windverhältnisse im Höhenprofil in der Nacht auf Mittwoch in Zürich betrachtet (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Berechnete Temperatur- und Windverhältnisse im Höhenprofil in der Nacht auf Mittwoch in Zürich; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Starke Niederschläge entlang der Alpen
Bei dieser Wetterlage wird die Alpennordseite aus Nordwesten mit Kaltluft geflutet, während gleichzeitig feuchte Meeresluft aus Süden über die Alpen geführt wird. Da die Kaltluft schwerer als die aus Süden heranströmende Luft ist, gleitet Letztere über die kühle Luft auf. Dieses Aufgleiten sorgt für Hebungsprozesse und kräftige Niederschläge. Dazu kommt an den Voralpen mit nördlichen Winden in tiefen Luftschichten auch noch ein Staueffekt, die Luft wird noch zusätzlich gezwungen, aufzusteigen. So entstehen insbesondere entlang der Alpen kräftige Niederschläge, die umso stärker sind, je weiter man sich im Osten befindet (vgl. Abb. 5). Die stärksten Niederschläge sind dabei zwischen etwa heute Mittag und morgen Mittag zu erwarten.
Abb. 5: Niederschlagssumme von etwa heute Mittag bis morgen Mittag; Quelle: MeteoNews, UBIMET
Vom Berner Oberland über die Zentralschweiz bis zur Ostschweiz und in weiten Teilen des Bündnerlands sind vielerorts zwischen knapp 30 und bis über 40 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zu ewarten. Die Schneefallgrenze sinkt dabei von 1000 Metern und knapp mehr heute Nachmittag bis morgen Vormittag auf 600 bis 800 Meter. Dies ergibt in den Bergen vielerorts etwa 30 bis 50 Zentimeter Neuschnee.
Niederschlagsabkühlung mit Schnee?
Bei den erwarteten starken Niederschlägen an den Voralpen und in den nördlichen Tälern Graubündens kann der sogenannte Effekt der Niederschlagsabkühlung einsetzen (vgl. Abb. 6).
Abb. 6: Niederschlagsabkühlung bei starken Niederschlägen; Quelle: MeteoNews
Bei der Niederschlagsabkühlung entziehen schmelzende Schneeflocken der Umgebungsluft Energie, wodurch sich die Luft abkühlt und die Schneefallgrenze sinkt. Im Extremfall kann die Schneefallgrenze dann vor allem in den Alpentälern bis gegen 1000 Meter tiefer liegen als berechnet. Entscheidend dafür sind folgende Faktoren:
- Anhaltende und starke Niederschläge (als Faustregel mindestens 2 mm pro Stunde) bei einer Nullgradgrenze um oder unterhalb des Kammniveaus der Alpen
- Windschwache Verhältnisse, damit der Wind die gekühlte Luft nicht verdrängt
- Enge Tallagen, da hier wesentlich weniger Luft abgekühlt werden muss als beispielsweise über der gleichen Grundfläche im Flachland. Je enger das Tal, desto effektiver die Niederschlagsabkühlung
Neben der Frage, ob die Niederschlagsintensität überhaupt für eine Niederschlagsabkühlung reicht (ist relativ knapp), könnte auch der Wind zum Problem werden, dass es entlang der Alpen bis zuunterst schneit, es ist nämlich bei steigenden Luftdruckverhältnissen immer etwas Wind aus westlichen bis nördlichen Richtungen zu erwarten, der für eine gewisse Durchmischung sorgt. Die Frage ist, ob der Effekt der Niederschlagsabkühlung stärker ist als der Effekt der Durchmischung. Diese Frage ist nicht abschliessend zu beantworten, sodass sich erst morgen zeigt, ob es den Alpen entlang wirklich teilweise bis ganz hinunter geschneit hat.
Am Mittwochnachmittag langsame Beruhigung
Auf jeden Fall löst sich morgen Mittwoch die Gegenstromlage tagsüber langsam auf, die Höhenwinde drehen auf Ost. Die Staulage wird zudem auch allmählich schwächer, sodass die Niederschläge auch entlang der Alpen am Nachmittag langsam abklingen. Auch möglich ist, dass die zuvor in die Täler gesunkene Schneefallgrenze morgen tagsüber wieder etwas ansteigt, da die Durchmischung wieder besser wirkt. Auf jeden Fall wird es bezüglich Schnee bis in die nördlichen Alpentäler in der Nacht und morgen Mittwoch spannend...