In der Stratosphäre über der Polarregion tut sich was, ein weiteres "major warming" zeichnet sich ab. Mit Verzögerung von ein paar Wochen kann dies auch Einfluss auf unser Wettergeschehen haben. Wir werfen daher auch schon mal einen vorsichtigen Blick auf die Langfristmodelle für den kommenden Frühling.
Der Polarwirbel zerfällt
Bis Ende des Jahres präsentierte sich der stratosphärische Polarwirbel gesund und intakt, er lag ziemlich zentral über der Polarregion mit Temperaturen um -70 Grad in seinem Zentralbereich. Im Laufe des Januars kam es aber das erste Mal zu einem ausgeprägten displacement, der Polarwirbel wurde abgedrängt – über dem Nordpol stiegen die Temperaturen in Höhen von 25 bis 30 Kilometern deutlich an. Danach kam es bis Anfang Februar zu einer gewissen Erholung, die Temperaturen sanken aber nicht mehr auf das vorherige Niveau.
Abb. 1: Beobachteter und prognostizierter Verlauf der Temperaturen auf 10 hPa zwischen 60° und 90°Nord; Quelle: NOAA
Nun kommt es das zweite Mal in einem Jahr zu einem major warming, was nur selten der Fall ist. Seit 1960 gab es dies erst siebenmal. Die nun anstehende Erwärmung scheint zudem nachhaltiger Natur zu sein.
Abb. 2: Temperaturen auf der 10 hPa Fläche (ca. in 28 km Höhe) am Mittwoch, 14. Februar 2024; Quelle: meteociel.fr
Abb. 3: Temperaturen auf der 10 hPa Fläche (ca. in 28 km Höhe) am Sonntag, 25. Februar 2024; Quelle: meteociel.fr
Abb. 4: Temperatur auf der 10 hPa Fläche (ca. in 28 km Höhe) am Freitag, 1. März 2024; Quelle: meteociel.fr
Die verbleibende Kaltluft wird südwärts über den Atlantik, Europa und Asien abgedrängt, erwärmt sich in den nächsten Tagen aber ebenfalls. Ende Februar bis Anfangs März sind nur noch Kaltluftreste vorhanden, es gibt keinen Polarwirbel mehr. Die Westwindzirkulation kommt in diesen Höhen zum Erliegen, Ostwindkomponenten (siehe Abbildung 5) spielen eine zunehmende Rolle. Von diesem hohen Niveau aus kann sich dieser Prozess in den kommenden Wochen mehr und mehr auch auf die obere Troposphäre auswirken, die Wahrscheinlichkeit für blockierende Wetterlagen steigt. Daraus aber detaillierte Langfristprognosen für die Schweiz abzuleiten, ist nicht möglich. Sobald sich diesbezüglich etwas abzeichnet, werden wir natürlich entsprechend informieren!
Abb. 5: Prognostizierter Index des mittleren zonalen Windes auf dem 10 hPa Niveau. Positiv bei Westwind, negativ bei Ostwind; Quelle: ECMWF
Blockierende Wetterlagen
Wie oben erwähnt, steigt nach Zerfallen des Polarwirbels die Neigung für blockierende Wetterlagen an. Wo es kalt ist, bleibt es länger kalt – im umgekehrten Fall gilt dasselbe. Was dann aber vor Ort konkret passiert, hängt von der Verteilung der Hoch- und Tiefdruckgebiete und dem daraus resultierenden Strömungsmuster ab! In vielen Fällen liegt das blockierende Hoch dann über dem Nordatlantik bei Island oder den Britischen Inseln (negativer NAO-Index), dann können an seiner Ostflanke noch einmal kühle oder kalte Luftmassen bis weit nach Süden vorstossen. Das Resultat könnte noch einmal eine Art Märzwinter sein. Liegt das Hoch aber über Osteuropa, erreicht uns weiterhin milde Luft. Was immer sich dann auch einstellt, das Strömungsmuster kann sich tendenziell länger halten.
Die neuen seasonal forecasts von ECMWF und NOAA
Zum Verständnis: Dabei handelt es sich um keine konkrete Wetterprognose, sondern um ein grossräumiges und langfristiges Abschätzen von Strömungs- und Druckmustern. Dies geschieht auf globaler und kontinentaler Ebene, und zwar für die Abweichung verschiedener Parameter gegenüber dem klimatischen Mittel. Es ist dies nur ein grober Trend! Der im vergangenen November veröffentlichte Trend für die Wintermonate traf bis jetzt jedenfalls gut zu (tiefdruckbestimmt, zu nass und zu mild). Hier nun also ein Vergleich der neuesten Daten von ECMWF und NOAA für die Anomalien von Luftdruck, Niederschlägen und Temperatur für die Monate März, April und Mai (also den meteorologischen Frühling).
Kein eindeutiger Trend beim Luftdruck
Bei der vorherrschenden Verteilung des Luftdrucks sind sich die beiden Modelle nicht ganz einig, für Mitteleuropa bleiben die Unterschiede aber gering. Das ECMWF sieht häufigere Tiefdruckgebiete über dem Atlantik, das CFSv2 ist diesbezüglich neutral mit tendenziell tieferem Luftdruck im Mittelmeerraum. (Der Vergleichszeitraum ist leicht unterschiedlich: Basis bei ECMWF 1993-2016, bei den NOAA Daten 1984-2009).
Abb. 6: Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 7: Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (CFSv2, NOAA); Quelle: tropicaltidbits.com
Normale Niederschläge, im Süden eventuell zu nass
Diese Verteilung spiegelt sich auch bei den Niederschlägen wider. Nach dem ECMWF wären für die Monate März bis Mai die Niederschläge im Bereich der langjährigen Norm, beim CFSv2 ist es auf der Alpensüdseite und in Italien zu nass.
Abb. 8: Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 9: Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (CFSv2, NOAA); Quelle: tropicaltidbits.com
Zu mild/warm
Bei den Temperaturen gibt es hingegen eine erstaunlich grosse Übereinstimmung! Danach wird dieser 3-Monats-Zeitraum im Alpenraum deutlich zu mild/warm ausfallen. Beide Modellen sehen überdurchschnittliche Temperaturen im Mittelmeerraum und geringere positive Abweichungen im Nordwesten. "Kältepol" bleibt Skandinavien, das war schon im Grossteil des Winters so.
Abb. 10: Abweichung der Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 11: Abweichung der Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate März, April und Mai (CFSv2, NOAA); Quelle: tropicaltidbits.com